Willkommen zu einer weiteren Folge Haecksenwerk!
Haecksenwerk ist das Podcastkollektiv der Haecksen. Es geht um die ganze Bandbreite von Technik, Kultur und Feminismus. In unserem Podcast möchten wir Einblicke in Themen geben, die uns bewegen.
Dakoraa spricht mit Buecherwurm. Sie ist politische Bildner*in mit Schwerpunkt auf diskriminierungskritischer Bildung. Sie spricht darüber, was eine politische Bildner*in so tut und wie eins den Beruf erlernt. Ausserdem auch darüber, was für eine Bedeutung der Job in Buecherwurms Leben einnimmt. Dies ist eine Aufzeichnung der Veranstaltung Chaos macht Schule@Home “Wie werd ich… ?”. Aufgrund der Länge des Gesprächs erscheint es in zwei aufeinanderfolgen Episoden.
Korrektur: Gegen Ende wird bei den Empfehlungen Daniel Donkovsky gesagt, gemeint ist aber Daniel Donskoy.
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Stichworte
Politische*r Bildner*in, diskriminierungskritische Bildung, Antidiskriminierungsarbeit, Arbeitsalltag
Credits
- Redaktion: dakoraa
- Sprechende: dakoraa, buecherwurm
- Weitere Stimmen: Sylvia
- Produktion: dakoora
- Coverart: https://mullana.de/
Transkript
dakoraa: Leute Hallo! Schön, dass ihr da seid bei einem haecksenwerk-Podcast. Ich bin dakoraa und das Thema lautet heute “Wie werd ich politische Bildner*in?” mit Schwerpunkt diskriminierungskritischer Bildung. Das ist der Mitschnitt vom Chaos macht Schule@Home “Wie werd ich…”-Event am #rC3, da haben wir uns nämlich buecherwurm eingeladen, um über den Beruf zu reden. Das Event war ganz schön lange und buecherwurm hat viele spannende Sachen gesagt, deswegen haben wir die Episode zweigeteilt. Heute gibt es erstmal so die Metathemen, also: Was macht ne politische Bildner*in eigentlich so genau? Und wie wird eins das? Und irgendwann demnächst werden wir dann noch tief ins Thema einsteigen und tatsächlich darüber reden, wie eins sich eigentlich auf die konstruktive Weise mit der Diskriminierung, die die Gesellschaft ausübt; und der Diskriminierung, die eins selbst ausübt, auseinander setzen kann. Um diese thematische Zweiteilung tatsächlich hinzubekommen ist die Aufnahme leider so ein bisschen zerstückelt. Ich hab mich da jetzt sehr bemüht, nochmal die Segmente aneinander zu setzen, und quasi diese thematische Trennung wirklich sauber zu machen, aber eventuell wird man in der Aufnahme da noch so ein paar Artefakte von hören. Dafür ist es inhaltlich um so spannender. Zeitreisen funktionieren ja eigentlich nicht, trotzdem möcht ich’s mal versuchen und sag direkt in die Vergangenheit: buecherwurm Hallo, schön, dass du da bist.
buecherwurm: Ich, ja, bin buecherwurm, lebe in Köln und mach da seit mittlerweile schon einigen Jahren politische Bildung freiberuflich – hauptsächlich eben im Themenschwerpunkt diskriminierungskritische Bildungsarbeit und Extremrechte und wurde von Karo gefragt, ob ich etwas darüber erzählen würde, wie ich dazu gekommen bin und was ich da eigentlich so mache. Und ich bin sehr gespannt auf unser Gespräch.
dakoraa: Ja, dann würde ich sagen steigen wir da direkt mal ein, und zwar mit der Frage: Was ist das eigentlich?
buecherwurm: Ich glaube das Spektrum was politische Bilder*innen machen ist relativ groß. Ich selber mach’ entweder Vorträge, die von irgendwelchen Organisationen organisiert werden und die mich dann einladen für eine Abendveranstaltung oder auch mal für ein Tagesseminar, wo ich dann zu einem bestimmtem Thema einen ganzen Tag mit einer Gruppe gestalte. Oder ich mache auch mehrtägige Veranstaltungen, entweder so ein Wochenendseminar oder auch mal eine ganze Woche, wenn ich z.B. junge Menschen ausbilde damit sie selber im Rahmen des Netzwerk für Demokratie und Courage beispielsweise Projekttage an Schulen machen.
dakoraa: Kann man das so sagen, dass du quasi Antidiskriminierungsarbeit machst?
buecherwurm: Ja das ist auf jeden Fall auch ein Teil von Antidiskriminierungsarbeit. Wobei es mir da hauptsächlich um den Teil von Nichtbetroffenen Personen geht, also die von einer speziellen Diskriminierungsform z.B. nicht betroffen sind, sich aber gerne damit beschäftigen wollen und, ja, reflektieren wollen und Möglichkeiten, wie sie sich in diesem Machtverhältnis verhalten können finden wollen.
dakoraa: D.h. du machst dann quasi eher so den Teil der Antidiskriminierungsarbeit der sich quasi nicht an die Gruppen der Diskriminierung erfahren wendet, sondern du wendest dich eher an die ganzen anderen Leute, und bringst denen dann quasi bei, oder versucht mit denen gemeinsam zu erarbeiten, wie es eigentlich möglich wäre so diese Diskriminierung die auf jeden Fall stattfindet zu reduzieren?
buecherwurm: Ja. Also ich mache keine Empowerment-Arbeit, bspw. für konkret diskriminierte Gruppen. Ich habe zwar auch schon mit Mädchen und Frauen gearbeitet, wo es dann schon auch den empowernden Charakter hatte. Und wenn ich bspw. im Themenfeld Sexismus was mache kann ich ja durchaus aus einer eigenen Betroffenheit sprechen, aber ich empfehle dann schon auch weiter wenn es Gruppen gibt, die so eine Betroffenenarbeit machen falls halt doch Menschen aus einer Gruppe von Betroffenen in der Gruppe sind. Aber hauptsächlich geht es in den Seminaren darum wie kann ich aus einer, ja, auf den ersten Blick unbeteiligten Position heraus mich zu dem Thema verhalten, welche Möglichkeiten habe ich und wie kann ich vielleicht auch meine eigene Organisation aufstellen, um mit Diskriminierung insgesamt umgehen zu können und eigene Diskriminierung abzubauen.
dakoraa: Ich verwende da persönlich immer den Begriff Geringmarginalisierte, weil die sind ja auch gar nicht mal nicht gar nicht marginalisiert, aber zumindest oft dann doch eher diejenigen die mit ein bisschen weniger zu kämpfen haben, und da gibt’s dann ja quasi immer doch eben so Unterschiede und dann gerade als Person die eben nicht von was betroffen ist, ist es eigentlich wichtig sich zu überlegen, wie kann ich eigentlich quasi die Leute, die die Diskriminierung am eigenen Leib wirklich stark erleben, stärken.
buecherwurm: Genau. Oder auch wenn es halt um Sexismus geht kann es ja trotzdem sein, dass eine Person bspw. von Ableismus betroffen ist, dann ist sie halt bswp. als cis-Mann nicht von Sexismus betroffen aber sie macht ja trotzdem auch Diskriminierungserfahrungen, aber halt in einer anderen Diskriminierungsform. Und diese Überschneidung muss ich natürlich immer auch mitberücksichtigen, und trotzdem muss ich’s auch auf der anderen Seite wieder von einander trennen, denn nicht jede Diskriminierungserfahrung mit einander vergleichbar ist.
dakoraa: Das ist dieses Feld der Intersektionalität. Also eben sich auch tatsächlich genau anzuschauen von welchen mehreren Sachen oder einzelnen Sachen ist eigentlich eine Person betroffen und dann da eben die Ähnlichkeiten zu sehen aber vor allem eben auch die Unterschiede wahrzunehmen. Dass dann vielleicht so die Experience von einer Frau vs. einer behinderten Frau, die sind vielleicht irgendwie unterschiedlich. Der Seximus ist dann auch nicht der gleiche. Intersektionalität ist, glaube ich, auch ein Konzept was aus der schwarzen Antirassismus-Bewegung kommt, das möchte ich persönlich zumindest immer dazu sagen, weil das dann ja doch eben auch wichtig ist zumindest zu honorieren, dass es die Leute sind, die die Arbeit dann auch tatsächlich gemacht haben das mal zu beschreiben.
buecherwurm: Genau. Kimberlé Crenshaw hat diesen Namen auch geprägt, eine schwarze US-amerikanische Anwältin, die eben genau darauf gestoßen ist, dass es Diskriminierung in einem Unternehmen gab, wo aber schwarze Männer gearbeitet haben und weiße Frauen gearbeitet haben, und es dadurch eben für schwarze Frauen nicht möglich war Diskriminierung rechtlich geltend zu machen, weil eben sowohl schwarze Menschen als auch Frauen dort beschäftigt waren.
dakoraa: Also Kimberlé Crenshaw, auf jeden Fall eine Person, die man mal im Internet recherchieren kann. Buecherwurm, wie bist du eigentlich zur politischen Bildung gekommen?
buecherwurm: Ich habe mich schon seit meiner späteren Jugend sag ich mal mit dem Thema Diskriminierung beschäftigt und mich auch in dem Thema engagiert. Mein erster Versuch da Bildungsarbeit zu machen war glaube ich in der Oberstufe als ich in einer Projektwoche selber ein Projekt zum Thema extreme Rechte anleiten wollte, was ich dann nicht durfte, weil’s zu politisch war. Aber ja, nachdem ich dann von der Schule weg war habe ich dann irgendwann beim Netzwerk für Demokratie und Courage so eine Teamschulung gemacht. Das ist ein Projekt was Projekttage in Schulen, die eben von jungen Menschen selber durchgeführt werden, anbietet. Und dann habe ich angefangen dort Projekttage zu teamen, habe dann eine Trainer*innen Ausbildung gemacht, so dass ich angefangen habe selber Teamende auszubilden und habe parallel dazu dann auch für anderen Organisationen, die mich gefragt haben, solche Workshops und Seminare gemacht und bin da ein Stück weit immer weiter reingeraten. Das war eigentlich nie so eine bewusste Entscheidung “ich mache das jetzt zu meinem Beruf”, sondern es hat sich einfach — es ist immer mehr geworden an Anfragen und das hat mir Spaß gemacht und ich habe das Gefühl gehabt, dass ich das was ich da mache irgendwie auch kann. Und irgendwann habe ich dann gesagt, Ok, dann akzeptiere ich das jetzt so und dann ist das jetzt erstmal mein beruflicher Alltag diese Seminare zu machen. Und dadurch, dass ich auch davon leben kann hat es dann ganz gut gepasst.
dakoraa: Heißt du hast also nicht einen Job gesucht und wolltest irgendwie Geld verdienen, und hast dann beschlossen du machst jetzt eine Ausbildung zur politischen Bilderin, sondern du hast quasi vorher schon Aktivismus gemacht und hast dann irgendwann gemerkt das ist wichtig, das möchte ich tun und hast daraus dann einen Beruf gemacht. Keks fragt: Mich würde interessieren wie sich der Weg von der konkreten Organisation von wo du gestartet hast hin zur komplett selbständigen Arbeit gestaltet hat.
buecherwurm: Ich versuche mal auf die Frage von Keks zu antworten und mache es mir leicht, weil irgendwann war so klar ich muss mich selbst um Krankenkasse kümmern und damit geht dann auch einher, dass ich das mit der Steuer machen muss und eigentlich war tatsächlich dadurch dann so für mich klar OK, dann ist jetzt wohl der Punkt gekommen wo ich mich dann halt dafür entscheide, dann bin ich jetzt halt freiberuflich tätig. Aber es gab meinerseits nie so eine konkrete Entscheidung OK, ich bemühe mich jetzt um mehr Aufträge, sondern das ist tatsächlich einfach so entstanden und ich habe dann halt immer weniger andere Sachen gemacht und mehr von den Bildungsangeboten.
dakoraa: Also du hast es einfach gemacht und dann wurde es mehr und dann hast du Leute gefunden die dich auch bezahlen wollten. Und dann wurde auch das mehr und dann ist es quasi so einfach organisch gewachsen.
buecherwurm: Genau. Also ich habe mich nie bemüht, dass ich gebucht werde, sondern es war halt eher — also ich habe einfach den großen Vorteil über das Netzwerk über Demokratie und Courage total viel machen zu können und über das DGB Bildungswerk Sachsen machen zu können usw. Und dadurch wird mir quasi viel Aquise abgenommen und es ist immer wieder so, dass Leute in meinen Seminaren sitzen und dann halt danach fragen ob ich für eine bestimmte andere Veranstaltung auch noch buchbar bin. Und weil gerade die Frage im Chat ist, wie das mit dem Hauptklientel ist. Ich mache viel für junge Menschen die nicht mehr in der Schule sind, die sich für ein Thema interessieren. Ich mache aber auch Sachen für Sozialarbeiter*innen von einem bestimmten Träger der mich bucht, oder sogenannte Bildungsurlaube für das DGB-Bildungswerk. Also wo man dann auch so Wochenseminare zu einem bestimmten Thema anbieten kann und dann melden sich da Menschen an. Ich bin aber auch in Lehrerkollegien unterwegs, oder, ja, bei offen ausgeschriebenen Seminaren. Das ist sehr, sehr unterschiedlich. Ich mach grade eher wenig mit Jugendlichen selber und halt viel mehr mit Multiplikator*innen, beziehungsweise, ja mit Menschen, die ihre eigene Schulzeit zumindest schon ein, zwei Jährchen hinter sich gelassen haben.
dakoraa: Kannst du das mal für uns plastisch machen, buecherwurm? Wie sieht eigentlich so ein konkreter Arbeitsalltag für dich aus?
buecherwurm: Es gibt zwei Sorten von Arbeitsalltag. Der eine Arbeitsalltag ist, dass ich morgens aufstehe und mit Twitter Kaffee trinke und mir versuche einen Überblick zu verschaffen, was so passiert ist. Dann mal gucke wo ich noch Konzepte schreiben muss, wo ich Abrechnungen machen muss – ganz furchtbar, es gibt wenig, das ich mehr hasse als Abrechnungen zu machen – Dokumentationen von vergangenen Seminaren erstellen. Oder irgendwelche Absprachen mit Ko-Referent*innen treffen oder mit Organisierenden. Oder selbst Visualisierungen vorbereiten, also Sachen, die ich dann Seminaren zeige, zur Verdeutlichung von dem was ich beispielsweise auch erzähle. Oder Materialien zusammen stellen mit denen ich arbeiten möchte. Das ist so der eine Arbeitsalltag, würde ich mal sagen.
Der andere Arbeitsalltag ist, wenn ich auf so nem Wochenseminar beispielsweise bin, dann bin ich in einer Bildungsstätte, wo es morgens zwischen 8 und 9 Frühstück gibt. Und so ein klassischer Seminartag geht mit einem Energizer oder einem Warm-Up los. Also einer kleinen gemeinsamen spielerischen Methode, wo wir den Körper und auch das Hirn ein bisschen aktivieren. Dann gibt es eine Ist-was-Runde: Ist irgendwas zu klären, bevor das Seminar so richtig losgehen kann? Ja, und dann beginng das Seminar, beziehungsweise schließt das Seminar an den Tag vorher an. Klassische Seminarzeiten sind dann von 9 bis 18:30 mit ner Mittagspause von, zwischen einer und drei Stunden. Und, ja, so ein Seminar ist dann so eine Mischung aus Input, also dass ich was an einem Flipchart oder an einer Pinnwand referiere, oder wer anders was referiert. Oder dass Teilnehmende Gruppenarbeiten machen. Oder auch, dass es Methoden zur Selbstreflexion gibt, wo ich dann in erster Linie da bin und ansprechbar bin oder auch mal in die Gruppen reingehe und gucke, obs irgendwas gibt, wo ich die Gruppen unterstützen kann. Die Arbeitsergebnisse werden dann irgendwann wieder zusammengeführt. Ja und so verläuft dann der Tag und mittags wollen alle spazieren gehen. Und ich will nicht rausgehen, weil Natur und ich, das funktioniert nicht so gut. Und dann muss ich mit meiner Ko-Teamer*in aushandeln, wie wir das jetzt machen mit unserer gemeinsamen Vor- und Nachbereitung, was sich aber immer irgendwie lösen lässt. Und wenn das dann so ein längerfristiges Seminar ist, dann ist meistens auch abends noch irgendwas – entweder organisiert. Wir hatten letztens einen total schönen Vorleseabend. Also da haben wir aus so einem Kinderbuch vorgelesen gegenseitig. Oder wir gucken einen Film zusammen. Oder sitzen einfach nur gemeinsam irgendwo rum und quatschen. Oder es gibt noch einen Austausch zu einem bestimmten Thema. Das ist also so ganz unterschiedlich.
dakoraa: Wenn jetzt hier gerade Leute zuhören, die sich denken: Ey, politische Bildung, das ist, hört sich cool an, das würde ich jetzt auch gerne machen. Was würdest du den Leuten raten, gibt es da irgendeine Ausbildung, die eins machen kann oder wie läuft das?
buecherwurm: Ich weiß gar nicht, ob ich so richtig Ratschläge geben kann, wie man selber politische Bildner*in wird. Ich würde sagen, Seminare besuchen ist ganz, ganz wichtig. Die ein oder andere Ausbildung machen um da auch Netzwerke nutzen zu können und um überhaupt rauszufinden zu können, was möchte ich denn eigentlich machen und was kann ich denn machen. Und, ja dann auch – ja klar, es ist eine Möglichkeit, über eine eigene Homepage sich, sich selbst anzubieten. Es kann aber halt auch sinnvoll sein, sich über zum Beispiel mobile Beratung zu vernetzen oder sich über Gewerkschaften in dem Themengebiet sich zu vernetzen. Ich glaube, es ist sehr, sehr schwierig, komplett von außen da irgendwie reinzukommen, aber, ja, teilweise gibt es auch Stellen als Bildungsreferent*innen aber wenn ihr selber ‘n Thema habt, wo ihr euch gut auskennt und wo ihr gerne zu arbeitet, dass dann irgendwelchen Organisationen anzubieten. Auch VHS kann so eine Gelegenheit sein, also Volkshochschulen, um so einen Einstieg zu finden.
dakoraa: Was für eine Ausbildung oder für ein Studium würde da naheliegen?
buecherwurm: Ich selber habe Soziologie studiert, aber ja, das lässt sich mit verschiedensten Abschlüssen beziehungsweise auch ohne Abschluss teilweise machen. Ich glaube, die Praxis ist viel, viel wichtiger als das Studium, weil ja die Expertise in dem Bereich auf jeden Fall in der Praxis liegt. Und da gibt es ja beispielsweise auch so Fortbildungen wie “Social Justice” oder “Anti Bias” was so Bildungsansätze sind, die sich mit dem Thema Diskrimierung befassen. Und über so eine Fortbildung dann in so ein Netzwerk zu kommen kann halt eine Möglichkeit sein, oder BETZAVTA was auch eine Form von Demokratiepädagogik ist, wo es so Ausbildungen gibt.
dakoraa: Wem würdest du empfehlen, das eher nicht zu machen? Also unter welchen Umständen sollte ich mir vielleicht noch mal überlegen, ob das, ob das wirklich so das Richtige für mich ist?
buecherwurm: Wenn ich einein sehr verbindlichen Alltag brauche, ist es schwierig. Das ist so die eine Ebene. Wenn ich gerne anderen Menschen nur die Welt erkläre, würde ich Menschen auch bitten, die Finger davon zu lassen, weil Bildungsarbeit eben nicht ist, Anderen die Welt zu erklären sondern andere Menschen auch, ja, auf einen Reflexionsprozess zu begleiten und gar nicht selber alles zu wissen, sondern oft auch einfach Fragen zu stellen und Impulse zu setzen und Menschen selber drauf kommen zu lassen, und ihnen zu zeigen, wie sie an einer bestimmten Stelle gerade wichtige Infos sich erschließen können.
dakoraa: Demut sollte eins besitzen?
buecherwurm: Ja, auf jeden Fall. So ein gewisses Wissen über ein Themengebiet ist natürlich wichtig, weil ich ja schon auch ne Grundlage brauche, auf der ich so ein Seminar konzipiere und ne Intensität von Beschäftigung ist auch notwendig weil sonst fühlen die Personen sich auch so ein bischen verarscht, wenn sich rausstellt, dass die Person eigentlich selber nur so ein oberflächliches, so eine oberflächliche Beschäftigung mit einem bestimmten Thema hat. Und es fällt euch dann auf die Füße, und das ist auf jeden Fall dann, ja, möglicherweise ein schlechtes Feedback, aber…
dakoora: …also, inhaltlich viel Wissen aber trotzdem noch im Auge behalten, wo sind eigentlich die Grenzen von meinem eigenen Erfahrungshorizont und von meinem eigenen Wissen?
buecherwurm: Also ich brauche ein inhaltliches Wissen, ich brauche eine bestimmte Methodenkompetenz, also ich muss Methoden kennen, mit denen ich arbeiten kann, und ich brauch, ja, so ein Gespür für ne Gruppe, für eine Gruppendynamik und Empathie um mich eben auch auf Menschen einzustellen und zu merken, was vielleicht gerade wichtig ist und was vielleicht eine Gruppe gerade braucht. Und das kann ich natürlich nicht immer jedem einzelnen Individuum Recht machen und gerecht werden, aber ich muss mich soweit in eine Gruppe einfühlen, dass ich nicht komplett gegen die Gruppe arbeite.
dakoraa: Man muss ja dann irgendwie auch am Schluss, also, man, man hört dann irgendwie Kritik, nimmt man am ehesten von den Leuten an, denen man vertraut, wo man auch das Gefühl hat, wir sind hier zusammen in dieser Sache und wo man dann, wo man irgendwie auch eine Gemeinsamkeit herstellt.
buecherwurm: Gibt es denn sonst noch Fragen?
Sylvia: Eigentlich nicht, grad nur die letzten, der letzte Absatz würde mir total schwer fallen, wenn ich jetzt wirklich einer, in einer Gruppe Rechtsradikaler sitzen würde, dann würds mir echt schwer fallen. Also ich schätze mal, dass würd wahrscheinlich nicht so häufig vorkommen, aber dann würd es mir sehr schwer fallen ne Gemeinsamkeit zu finden und da dann irgendwie ne Umkehr zu schaffen oder hmm, das finde ich schwierig.
dakoraa: Danke dir für den Beitrag Sylvia. Das war Sylvia, die ist mit in dem Big Blue Button Raum, in dem wir gerade aufnehmen, und hat sich zu Wort gemeldet. Ich würde sagen, der Kommentar leitet sehr schön direkt in die nächste Frage über, nämlich: Was müssen eigentlich solche Gruppen mitbringen, damit politische Bildung und solche Events da überhaupt funktionieren können?
buecherwurm: Das kommt sehr auf den Kontext an. Es gibt viele Seminare da ist es schon Voraussetzung, dass es so ein Eigeninteresse der Teilnehmenden gibt. Aber es gibt schon auch Seminare wo dann beispielsweise ganze Kollegien reingesetzt werden und die einzelnen nicht so viele Möglichkeiten haben, nicht teilzunehmen oder was anderes zu machen. Und dann kann es schon auch schwierig werden, weil die Personen sich nicht von sich aus mit dem Thema auseinandersetzen. Aber jetzt zum Beispiel eine Gruppe von rechten Jugendlichen würde ich gar nicht als Auftrag annehmen, weil das in meinen Augen nicht funktioniert da ein Seminar zu dem Thema Diskriminierung zu machen. Es kann immer sein, dass einzelne Leute in einer Gruppe sitzen, die doch ein relativ diskriminierendes Welt- und Menschenbild haben, und wo ich dann schon auch mal mit, … also in eine Diskussion gerate oder auch in eine Diskussion gehen muss und mich dann auch mal positionieren muss, aber wenn ich merken würde ich sitze gerade in einem Raum, wo eigentlich nur der rechte verstockte Anteil eines Kollegiums ist, würde ich auch die Frage stellen: Bringt es gerade was, dieses Seminar zu machen? Oder breche ich das nicht besser ab?
dakoraa: Also so gesehen ist quasi Freiwilligkeit schon auch eine Voraussetzung, um diese… diese Workshops machen zu können?
buecherwurm: Für die meisten Sachen ja. Also wenn Einzelne nicht freiwillig da drin sind, dann können die mitschwimmen…
dakoraa: Die gehen dann quasi in der Gruppe unter und es geht dann eigentlich… der Rest der Gruppe schafft es dann irgendwie, dieses Gruppengefüge zusammen zu halten?
Wenn ich jetzt… Angenommen ich habe jetzt so diese zwei Kollegen in meiner Stufe oder in meinem Kollegium und der Rest der Kollegen ist eigentlich voll ok: Gibt es da Tipps, was ich mit diesen zwei Leuten machen kann? Also als Gruppe; wie kann ich damit als Gruppe umgehen?
buecherwurm: Na eine Möglichkeit ist halt, ihnen dann widersprechen, wenn sie halt irgendwas sagen. Ne Möglichkeit ist, ihnen ganz subtil unsubtil das Buch von beispielsweise Alice Hasters zu schenken. Ne Möglichkeit ist, das Gespräch mit ihnen zu suchen und die eigene Perspektive auf ihr Verhalten zu schildern. Ne Möglichkeit ist, sowas auch als Gruppe zusammen zu machen. Ne Möglichkeit kann sein, sich als Gruppe zu entscheiden, wir wollen jetzt die und die Fortbildung und wir wollen das ihr mitkommt und euch das mal anhört. Vielleicht ist auch so eine Empfehlung statt nem Buch ein Podcast, das ist mir nämlich eben eingefallen, dass ich als eine ganz wichtige Quelle für meine Informationen – und auch was so Perspektiven von Menschen angeht – Podcasts gar nicht erwähnt hab, wo es sehr viele gute Podcasts in den verschiedensten Feldern rund um Diskriminierung gibt. Ja und zu der Frage, was ich da mit Kolleg*innen machen würde: Ja das reicht halt von so unterschwelligen Beeinflussungsversuchen bis auch hin zu konkreten Ansagen, dass das Verhalten kontraproduktiv ist, dass das Verhalten verändert werden muss. Ja. Es kommt total auf die jeweilige Situation an. Manchmal kann auch eine Hierarchiestufe höher so eine Möglichkeit der Intervention sein.
dakoora: Ich persönlich mach mir manchmal die Arbeit, wenn ich jetzt tatsächlich gemerkt hab, hier steht so eine Person vor mir, die eigentlich irgendwie, mit der ich eigentlich nicht klar komme, ich persönlich geh dann meistens, … ich persönlich schalt dann irgendwie so diesen Teil von mir, der irgendwie jetzt hier gerne konstruktiv auf Menschen blicken soll, … ich schieb das so ein bisschen zur Seite und versuch dann manchmal einfach tatsächlich zu verstehen wie diese Leute ticken und versuch dann zu fragen – gar nicht mit dem Ziel jetzt von irgendwas zu überzeugen, weil das kann eh nicht klappen – sondern hör einfach mal zu, um auch zu verstehen dieses Weltbild, um zu verstehen, wie dieses Weltbild funktioniert und wie die so ticken. So. Manchmal passierts dann ja tatsächlich, dass man irgendwie feststellt, was eigentlich mit den Leuten abgeht, weil oft sind das ja dann irgendwie, … also so, so auch subjektive Schicksale, die dann dastehen, also es heißt jetzt nicht, dass die tatsächlich irgendwie stark getroffen sind von irgendwas, aber die fühlen sich dann irgendwie auf eine Weise schlecht behandelt oder so, und dann einfach so aus Interesse: Was geht da eigentlich? Irgendwie um das auch so ein bisschen zu verstehen.
buecherwurm: Ich habe gerade die Frage im Chat, sehe ich gerade, nach Podcasts, die ich empfehlen würde: Auf jeden Fall Feuer und Brot, wo Alice Hasters dabei ist, aber auch Rice and Shine, wo es um viet-deutsche Perspektiven geht, Die neue Norm ist ein Podcast, wo es um Behinderungen geht, den ich sehr schätze, der Lila Podcast, wo es um Feminismus und daher notwendigerweise auch immer um Sexismus geht.
dakoraa: Ich persönlich mag auch Halbe Kartoffl ganz gerne. Ich sehe in meinem Podcatcher gerade noch den Kidz-Podcast, der…, wo es eigentlich um Pädagogik – Traumapädagogik – geht, aber natürlich auch viele von diesen…, von den Themen, wie geht man mit traumatisierten Menschen um, angeschnitten werden und den ich persönlich sehr spannend finde. Im Chat kam gerade noch Auf eine Tüte sei auch noch ganz gut. Auf eine Tüte heißt der Podcast. Und dann hatte Sylvia glaube ich auch noch eine Empfehlung.
Sylvia: Ja also, zwei Dinge: Erstens finde ich den Ansatz total spannend, also nicht nur das Empowerment sondern einfach auch die andere Seite, dass man Menschen beibringt, dass Verhaltensweisen für andere abwertend sein können, ne, und einem das gar nicht so bewusst ist manchmal. Und wo wir beim Bücher lesen sind, also ich persönlich hatte da wirklich nen Spiegel vor Augen in Miniatur-Alltagsdingen, wo ich mich eigentlich wirklich als absolut antirassistisch bezeichnen würde, aber als ich das Buch von “Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen” von Alice Hasters gelesen hab, also das ist so wirklich ein …, ein Aha-Erlebnis nach dem anderen.
buecherwurm: Was kein Podcast ist, was ich aber auch sehr spannende Perspektiven fand, war von Daniel Donkovsky (nachträgliche Korrektur: gemeint ist Daniel Donskoy) Freitagnacht Jews, so ein YouTube-Format, also eigentlich ein Fernsehformat, aber bei YouTube zu finden, wo es so verschiedene jüdische Perspektiven auf bestimmte Themen gab.
dakoraa: Das war es dann auch schon mit dem haecksenwerk – zumindest mit dieser Episode. Vielen Dank an buecherwurm für Besprechen von diesem Thema und wenn euch der Rest des Gesprächs interessiert, der kommt in den nächsten Wochen irgendwann im haecksenwerk-Feed.
Chaos macht Schule@Home “Wie werd ich… ?” ist eine Veranstaltung von Chaos macht Schule Hannover. Die findet jeden letzten Mittwoch im Monat um 19:00 Uhr in unserem Big Blue Button statt. Die Veranstaltungen werden vorher auf hannover.ccc.de angekündigt, da könnt ihr euch also informieren.
Den Podcast-Feed, wo dann der Rest vom Gespräch hochgeladen wird, den findet ihr unter podcast.haecksen.org. Ich bin dakoraa und danke euch fürs Zuhören, bis zum nächsten Mal beim haecksenwerk-Podcast!